VERGISS NICHT WARUM
Mein Weg zum Triathlon
Den Kopf gesenkt. Hände in den Taschen meiner Jacke verstaut. Alles fühlte sich sicher an. Denn so sollte mich doch hoffentlich niemand wahrnehmen. Dachte ich, und lief durch die Fußgängerzone meiner Stadt. Keiner sollte Lust bekommen mich anzusprechen. Plötzlich erreichte doch eine Stimme in gebrochenem deutsch von links mein Ohr. Erschrocken blieb ich stehen. Erneut passiert das, was ich um jeden Preis vermeiden wollte. Der Puls steigt. Schweiß tritt aus und eine Fluchtreaktion machte sich in meinem Körper breit. Ich hob meinen Blick, und spürte wie ich nur schwer schlucken konnte.
Das Problem war jedoch nicht die fremde Familie die hier wahrscheinlich Urlaub machte, und mich etwas fragen wollte.
Es war die Angst, beim sprechen wieder zu versagen.
Damit lebte ich schon ein paar Jahre. Ohne wirklich zu wissen wann das ganze angefangen hat. Doch eins ist sicher. Es wurde über einen längeren Zeitraum auffälliger, und schränkte mich zunehmend ein..
Die Fähigkeit spontan und selbstbewusst zu sprechen ging mir verloren. „Verdammt!“ Dachte ich.
Das wurde mir immer wieder durch solche Momente ins Bewusstsein gerufen.
Schließlich wollte ich das nicht länger hinnehmen. Eine Veränderung musste her.
Den Kopf gesenkt. Die Hände in der Jacke verstaut. Mit leicht erhöhtem Herzschlag lief ich also heim.
Es war mein Moment im Februar 2023 an dem ich beschloss, logopädische Hilfe zu suchen.
Für mich, der introvertiert durchs Leben geht und Schwierigkeiten versucht eher selbst zu klären ein erster großer Schritt, auf den ich sehr stolz bin.
Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, welches Ausmaß dieser Schritt annehmen sollte. In den sechs Monaten Therapie, bekam ich eine Vielzahl an Sprach, - und Entspannungsübungen, die mir helfen sollten im Alltag angstfreier und fließender zu sprechen. Nun ja. Alles schön und gut. Sie erfüllten ihren Zweck. Doch eine Aufgabe brachte letztendlich den Stein ins rollen, der die Mauer in mir regelrecht pulverisieren sollte.
Meine Logopädin sagte mir, ich solle bei meinen täglichen Aktivitäten einmal bewusst darauf achten, wann sich die Stotterproblematik verbessert.
Zu diesem Zeitpunkt fuhr ich schon mehrere Jahre mit dem Mountainbike durch die Gegend. Mir war aber nie klar, dass ich nach solchen Fahrten, bzw. nach hoher körperlicher Belastung, eine gewisse Leichtigkeit beim spreche verspüre. Bis zu unserem nächsten Termin, konnte ich das nach jeder Ausfahrt beobachten. Ich musste grinsen.
Die Idee Triathlon war geboren. Der Gedanke Triathlon als Therapie gegen Stottern fühlte sich irgendwie besonders an. An das Selbstvertrauen und die mentale Stärke die sich daraus in Zukunft entwickelt, war da noch nicht zu denken. Zugleich war es aber auch wie die stärkste Ohrfeige die mir das Leben gegeben hat. Als würde mir jemand sagen wollen: „Wach auf Kollege. Das ist es!“
Aller Anfang ist jedoch schwer. So auch meine ersten Wochen nach dieser geistigen Ohrfeige. Gefüllt mit einer Menge Anstrengungen meinen Körper vor nie da gewesenen Aufgaben wie schwimmen und laufen zu stellen. Aber auch gefüllt mir einer Menge Motivation. Diesen Moment mit mir zu genießen war plötzlich ein sehr befreiendes Gefühl.
In den Jahren davor habe ich versucht bei einigen Vereinen Anschluss zu finden. Richtig wohl habe ich mich nie gefühlt. Vielleicht wollte ich es auch nie akzeptieren ein Einzelkämpfer zu sein. Jedenfalls was Sport angeht. Nach drei Jahren als Triathlet weiß ich, es ist genau das was ich will und bin.
Irgendwie ist das auch für mich ein besonderer Reiz, den dieser Sport mit sich bringt.
Am Ende im Wettkampf hilft dir niemand. Man muss da allein durch.
So wie man auch allein durch Tiefpunkte im Training muss. Diese machten sich nach ungefähr drei Monaten bemerkbar.
"Heute geh ich mal nicht zum Schwimmen.“ „Mich fürs Radfahren umzuziehen lohnt sich jetzt nicht mehr.“ Oder: „Zum Laufen gehen ist es schon zu dunkel.“
Verrückt auf welche Ideen ein Mensch kommt, nur um unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. „Meine Aussprache hat sich doch gebessert.. Was will ich denn mehr?“
Schon stieß ich auf ein erstes Problem. Trotz der ganzen Energie die ich in das Training, in mich und meine Zeit gesteckt habe, war ich ziellos.
Das ursprüngliche Ziel freier zu sprechen war erreicht, aber nicht mehr ausreichend um meine aktuelle Grenze zu überschreiten. Ich blieb stehen. Das wollte ich nach all der Arbeit aber nicht.
Was folgte waren viele Spaziergänge und Stunden auf dem Sofa zum nachdenken wie es weiter gehen soll. Es war an der Zeit mich zu entscheiden. Schließlich reise ich auch gerne. Fakt ist aber, dass ich wenn ich den Sport aktiver betreiben möchte, für beides nicht genug verdiene. Ich habe mich für den Sport, und somit für eine neue Zielsetzung entschieden. Damit fühlte ich mich in dem Moment am glücklichsten.
Nachdem ich diese Unentschlossenheit beseitigen konnte, schien der Tiefpunkt überstanden. Vorerst.
Es folgten der erste Halbmarathon. Das erste mal alle drei Disziplinen an einem Tag. Irgendwann absolvierte ich meinen zweiten Marathon und die erste olympische Distanz im Triathlon. So belebt war ich lang nicht mehr. Suchtfaktor vorhanden.
Doch trotz der Freude die mir dieser Sport gibt, spürte ich auch eine beginnende Erschöpfung.
Wollte ich zu viel? Hatte ich ausreichend trainiert? Fehlt die Regeneration?
All diese Fragen übernahmen Stück für Stück die Überhand. Das Training fühlte sich plötzlich nicht mehr so leicht wie am Anfang an. Es wurde irgendwie zur Pflicht.
Klar war, ich musste Tempo raus nehmen. Und wieder blieb ich stehen.
Ziele haben ist was tolles. Das sich Ziele entwickeln ist wichtig. Sich aber vor Augen zu halten warum man Dinge macht, ist am wichtigsten. Ich brauchte wieder Fokus auf das ursprüngliche.
So kam neben dem ganzen Training und der Ernährung noch die Achtsamkeit auf mich selbst dazu. Rückblickend der wohl prägendste Schritt meiner Entwicklung.
Ich nehme mir die Zeit mein Training zu reflektieren, sowie das Training meinem Befinden anzupassen. Die Pflicht war vorbei, und der Spaß dabei kam wieder.
Mit nicht so guten Trainingseinheiten komme ich nun viel besser zurecht als zuvor.
Weil ich mittlerweile auch zu mir selbst sagen kann: „Ist halt so!“
Wenn ich bald beim IRONMAN am Start stehe, werde ich nicht vergessen wieso ich das ganze mache.